Werberat setzt sich für die Würde der Frau ein

· 23.03.2000

Das Gremium berichtet über aktuelle Brennpunkte und Arbeitsergebnisse

Am Rande des Werbemarkts gröbere Verstöße Werberat verlangt: Würde der Frau achten - 400 Proteste auf 188 Spots, Anzeigen und Plakate - Hohe Durchsetzungsquote der Beschwerdeführer (47 Prozent)

Bild BERLIN, 21. März 2000 (dw) – Der Konfliktregler zwischen werbenden Firmen und umworbenen Kunden, Deutscher Werberat, hat an Wirtschaftsunternehmen appelliert, Abbildungen von Frauen nicht entwürdigend zu kommerziellen Zwecken in der Werbung einzusetzen. Die Bonner Schiedsstelle beobachte mit Sorge, wie am Rande des Werbemarkts rücksichtsloser operiert werde, teilte das Gremium anlässlich der Veröffentlichung seines Arbeitsberichts vor Journalisten in Berlin am Dienstag, dem 21. März 2000 mit.

So habe im Werbejahr '99 ein Elektrohändler in einer Zeitungsbeilage neben den beworbenen Produkten auch eine Frau im Bikini abgebildet. Der Genitalbereich war durch den Text verdeckt "Geile Teile". Oder ein Zeitschriftenverlag stellte die Bedeutung eines seiner Titel für die Anzeigenkunden in einer Anzeige durch eine aufreizend geschminkte Frau heraus, die ihre entblößte Brust nur spärlich mit den Händen abdeckte; der Text daneben: "Kein Sex. Aber 18 Millionen Kontakte." Ebenso warb eine Bierbar mit '15 Gründen, warum Bier besser als eine Frau ist' – unter anderem: "Wenn du mit einem Bier fertig bist, ist die Flasche immerhin noch 50 Pfennig Pfand wert." Offensichtlich scheinen einige Unternehmen nach Beobachtungen des Werberats zu meinen, sie könnten nur mit extremen Reizen auf ihre Produkte und Dienstleistungen hinlenken. "Solche Firmen handeln offensichtlich gezielt und kalkuliert gegen herrschende moralische Auffassungen. Sie nehmen keine Rücksicht auf menschliche Empfindungen und Werte, die den zivilisierten Umgang miteinander in einer offenen Gesellschaft regeln", sagte der Vorsitzende des Gremiums, Jürgen Schrader, in Berlin.

401 Proteste auf 188 Werbeaktivitäten

Insgesamt haben sich im Werbejahr '99 deutlich mehr Bürger an den Werberat gewandt als im Vorjahr. Mit 401 Protesten gegen Werbung lag die Menge der Beschwerden zwar um fast ein Drittel höher als im Jahr zuvor. Dieser Anstieg erklärt sich aber aus dem Umstand, dass sich auf einige Werbeaktivitäten besonders viele Proteste häuften. Insgesamt betrafen die kritischen Eingaben an den Werberat 253 Werbemaßnahmen der Wirtschaft (+11 Prozent). Davon musste das Gremium 65 Fälle aussortieren – unter anderem, weil es sich um vermutete Rechtsverstöße handelte. Sie werden zur eventuell gerichtlichen Verfolgung an den Partner des Werberats, die "Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs", weitergeleitet.

Hoher Erfolg der Beschwerdeführer

Zu entscheiden hatte der Werberat über 188 Werbesujets. 88 mal setzten sich die Beschwerdeführer mit ihrer Kritik durch – also in 47 Prozent sämtlicher an das Gremium herangetragenen Fälle. Überwiegend wurde die beanstandete Werbung aus dem Markt genommen oder abgeändert. Schrader wertet diese hohe Durchsetzungsquote der Kritker als Nachweis effizienter Selbstdisziplin: Rechtlich einwandfreie Werbung werde nach Beanstandung durch den Werberat in der Regel zurückgezogen.

Sechs Rügen gegen Firmen

Zu rügen brauchte die Schiedsstelle lediglich sechs Unternehmen, nachdem sie trotz der Beanstandung des Gremiums ihre Werbung nicht absetzen oder korrigieren wollten.

Dabei handelt es sich um die Potsdamer Wäschefirma Nastrovje. Sie bildete auf den Produkten im Genitalbereich unter anderem das Dornenhaupt des Christus mit Kreuz oder Ordensfrauen in Werbeprospekten ab. Der Werberat hatte den Fall auch rechtlich prüfen lassen. Dazu die Staatsanwaltschaft Konstanz: Solche Formen von Werbung zu verfolgen und zu verhindern sei mit den Mitteln des Strafrechts nicht möglich: Das Mindestmaß an Respekt und Achtung vor religiösen Bekenntnissen im vorliegenden Fall sei noch nicht unterschritten.

Vom Werberat gerügt wurde außerdem die Firma Sisley. Ein Plakat zeigte eine junge Frau in breitbeiniger Sitzposition. Der Blick ist freigegeben auf ihren offensichtlich menstruationsbedingt blutbefleckten Slip. Das weiße Lamm, das die Frau in ihren Armen hält, zeigte ein blutiges Maul.

Ein weiterer Fall betraf die Erotik-Tage Hamburg. Auf einem Plakat wurde die Rückenansicht einer Frau gezeigt, die auf dem Oberkörper Nonnenkleidung trug, während das Gesäß nackt zu sehen war.

Ebenso gerügt wurde die deutsche Tochtergesellschaft des italienischen Textilproduzenten Replay. Ein Werbeplakat bildete ein asiatisches Mädchen bekleidet mit T-Shirt und Jeans in lasziver Körperhaltung ab; der Gesichtsausdruck wirkte verstört und abwesend, die Schamgegend betont. Vorwurf: Verharmlosung von Kinderprostitution.

Verletzte Würde von Frauen betraf den Prospekt der Heilbronner Bierbar Golden City. Das Unternehmen hatte in abfälliger Weise 15 Gründe aufgeführt, "warum Bier besser als eine Frau ist".

Als Verstoß gegen die Verhaltensregeln des Werberats kritisierte der Werberat gleichfalls öffentlich die Werbung der Ausgburger Brauerei Riegele. In einer Anzeige prostete ein Eishockey-Nationaltorhüter dem Betrachter mit einem Bier zu. Leistungssportler sollen nach den Werberegeln aber nicht zum Trinken auffordern.

Schwerpunkt-Thema: Frauen

Thematischer Schwerpunkt der Kritik aus der Bevölkerung war im Werbejahr 1999 erneut die unterstellte Diskriminierung von Frauen. Von den 188 Fällen vor dem Werberat betrafen 72 oder 38 Prozent dieses Thema. Grundsätzlich ist hier fairerweise festzustellen: "Der ganz überwiegende Teil der werbenden Firmen orientiert sich immer schon an der Würde der Frau – aber es gibt eben auch Abweichler", so Schrader.


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